Yoga & Metta Meditation - Liebevolle Güte, kann man das wirklich üben?

11. Mar 2021 | Claudia Eva Reinig | YOGAINSPIRATION

Im Yoga ist die Meditation ein wichtiger Bereich

Mit der Meditation kannst du deine verborgenen Kräfte aktivieren. Weiter unten findest du eine Anleitung zur Metta Meditation, so kannst du sie in deinen Alltag einbauen. Es gibt viele Arten und unterschiedliche Techniken von Meditation. Im Yoga werden viele Meditationen, die aus dem Buddhismus kommen praktiziert. So auch die Metta Meditation. Die Metta Medi­ta­tion ist unter unterschiedlichen Begriffen bekannt: Lie­be­volle Güte oder Herzensgüte Meditation sowie Meditation der Freundlichkeit oder der Allgüte. Im Englischen kennt man sie unter Loving Kind­ness Meditation. Wie der Name schon erra­ten lässt, geht es bei dieser bud­dhis­ti­schen Medi­ta­ti­ons­art um das Gefühl von Liebe. Auch ist Metta eines der 40 Meditationsobjekte (weitere sind zB der Atem oder Mantra), die vom historischen Buddha gelehrt wurden. Vielleicht hast du schon einmal von den Brahmavihāras gehört. Brahmavihāra ist ein Ausdruck im Buddhismus und bedeutet "Die vier erhabenen Verweilzustände“ oder „Die vier Unermesslichen“. Dies sind vier "himmlische" Eigenschaften oder besser gesagt Geisteshaltungen, die eng in Bezug miteinander stehen und in der buddhistischen Meditation kultiviert werden.
Zum Yoga Retreat Pfingsten mit Metta Meditation



Metta kannst du unter den vier Brahmavihāras einordnen:

Metta  - Liebevolle Güte, Wohlwollen
Karuna - Mitgefühl, Mitempfinden
Mudita - Mitfreude, wertschätzende Freude
Upekkha - Gleichmut, Gelassenheit, Nicht-Anhaften


Was ist Metta Bhavana?

Versuche ich nun Metta zu entwickeln, spricht man von Metta Bhavana. Bhavana könnte man übersetzen mit Bewirken, zur Erscheinung bringen, Hervorbringen oder etwas Erschaffen. Ich möchte also mit der Metta Meditation grenzenloses Metta entwickeln. Es gibt Menschen, die eine riesige Herzenswärme ausstrahlen und über einen unerschöpflichen Vorrat an Güte zu verfügen scheinen. Sie begegnen allen freundlich und in vielen Situationen, eher auch den schwierigen, offenbart sich die wahre Güte im Charakter dieses Menschen. Für mich ist der Dalai Lama der Inbegriff der Güte. Vor vielen Jahren durfte ich ihm in Dharamsala begegnen. Seine freundliche Ausstrahlung und der Umgang mit den alten Tibetern im Norden Indiens war so voller Wärme, Barmherzigkeit, Liebenswürdigkeit und Wohlwollen, wie ich es zuvor noch nie erlebt hatte.

Wenn wir nun die vier Brahmaviharas entwickeln wollen, speziell jetzt zu Beginn Metta, sind eine Reihe von Tugenden notwendig, auf die man sich ausrichtet. Man sagt ja, womit ich mich lange Zeit beschäftige und worüber ich hauptsächlich nachdenke, dahin neigt sich mein Herz. Es gibt eine schöne Indianerweisheit, die besagt, in unseren Herzen gibt es einen Kampf zwischen zwei Wölfen. Diese Parabel zeigt uns das ewige Spiel mit der Polarität, genau diese wir ja im Yoga ausgleichen wollen:


„In jedem von uns lebt ein weisser und ein schwarzer Wolf. Der weisse Wolf verkörpert alles, was gut in uns ist. Er lebt von Freundlichkeit, Gerechtigkeit und Frieden – er ist Freude, Güte, Friede, Liebe, Hoffnung, Freundlichkeit, Mitgefühl, Wohlwollen, Großzügigkeit, Aufrichtigkeit, Wahrheit und all das Lichte in uns.

Der schwarze Wolf verkörpert das Dunkle und Negative in uns. Er lebt von Wut, Angst und Hass - er steht für Zorn, Neid, Eifersucht, Scham, Arroganz, Selbstmitleid, Schuld, Groll, Gier, Minderwertigkeit, Lüge, falscher Stolz und alles Dunkle in uns.

Zwischen beiden Wölfen, also in uns selbst, findet ein ewiger Kampf statt.
„Und welcher Wolf gewinnt?“
Der weise Indianer antwortete: „Der, den du fütterst.“


Bei der Meditationspraxis Metta wirst du angewiesen, allen Wesen in alle Richtungen positive mentale Zustände auszustrahlen: liebende Güte oder Wohlwollen, Barmherzigkeit, sympathische Freude und Glück. Das Interessante ist jetzt, dass das Üben dieser Tugenden einen Gegensatz für negative mentale Zustände wie Angst, Geiz, Wut, usw. bildet. So können sich die positiven Emotionen im Laufe der Zeit entfalten, wenn man sich durch Üben von Meditationstechniken entwickelt und reift.


Gar nicht so einfach ist ja nun, jemanden der mich gekränkt oder beschämt hat, gegenüber Wohlwollen zu entwickeln und Glück zu wünschen. Somit ist Güte auf den ersten Blick erstmal ein nur schwer greifbares Konzept. Du siehst auch, was für einen hohen ethischen Anspruch sich dahinter versteckt. Zum Glück können wir unseren Charakter mit der Zeit weiterentwickeln und sogar verändern. Ich glaube jedoch nicht, dass gemeint ist, dass wir alle Verletzungen, Beleidigungen oder Kränkungen stillschweigend akzeptieren sollten und es damit getan ist, sich hinzusetzen und Metta zu praktizieren. Doch die Achtsamkeit auf die Ausrichtung meiner Gedanken und meines Geistes hilft mir, mit emotionaler Verletzung, Zurückweisung oder Herabsetzung besser umzugehen. In Wut und Abneigung stecken zu bleiben schadet ja letztendlich nur mir selbst. Positive Tugenden zu entwickeln hat also auch etwas mit eigener Wertschätzung und Selbstachtung zu tun, obwohl dies nicht gleich offensichtlich ist und naheliegend erscheint.


Was ist das Ziel und die Wir­kung der Metta Medi­ta­tion?

  1. Ich möchte meinen Geist in einen freundlichen, mitfühlenden Fluss bringen
  2. Ich kultiviere heilsame Tendenzen wie Vertrauen, Heilung und Glück
  3. Ich übe mich in Achtsamkeit und bündle meine Aufmerksamkeit
  4. Ich erhalte vermehrt geistige Stabilität
  5. Meine Resilienz (psychische Widerstandsfähigkeit) wird grösser
  6. Ich lasse Wut und Groll über andere Men­schen oder bestimmte Situationen los­
  7. Ich akzeptiere meine negativen Emotionen
  8. Ich erhalte grösseren kör­per­li­chen und see­li­schen Frie­den
  9. Ich lerne meine Welt­an­sicht zu ver­än­dern
  10. Ich komme mehr und mehr weg vom Urteilen
  11. Ich habe nicht mehr den Eindruck, ständig im Gefühl des Mangels zu leben


Wie übe ich die Metta Medi­ta­tion?

Die Metta Meditation besteht aus verschiedenen Schritten. Wesentlich ist, dass du bei jedem Schritt eine freundliche und wohlwollende Haltung gegenüber allen fühlenden Wesen übst. Der Geist bekommt mit der gedanklichen Wiederholung, von den für die Metta Meditation typischen Sätze, eine konkrete Aufgabe. So werden die Sätze zum Meditationsobjekt und es ist leichter die Gedanken zu fokussieren und nicht ständig abschweifen zu lassen. Wie bei allen Meditationen ist es auch bei der Metta Meditation sinnvoll, diese öfter zu machen, also immer wieder zu wiederholen. Es ist hilfreich, gerade zu Beginn, sie unter Anleitung zu praktizieren.


Anleitung Metta Meditation

Schritt 1: Metta für eine dir sehr nahestehende geliebte Person

Beginne zuerst einmal damit, dir eine Person vorzustellen, die du liebst oder geliebt hast. Hier ist nicht der BeziehungspartnerIn gemeint, sondern eher ein MentorIn oder ein LehrerIn, jemand wo dir nahesteht. Vielleicht hat dieser Mensch dir in einer wohlwollenden Art und Weise etwas von dir gezeigt, dass du so nicht gekannt hast. Es geht um die Qualität des Herzens, das was du fühlst, wenn du an diese Person denkst. Am besten visua­li­sierst du dir einen Men­schen, der dir nahe­steht und für den du ohne viel Mühe Zunei­gung emp­fin­den kannst. Denke an jemanden der oder die dir sehr wichtig ist und vielleicht viel in dir bewirkt hat. Man sollte nicht den Partner oder die Partnerin nehmen, denn diese Liebe ist meist eher an Bedingungen geknüpft. Wenn es schwierig ist und dir keine Person in den Sinn kommt, kannst du auch ein Tier nehmen oder auch eine Pflanze, zu dem oder der du eine besondere Beziehung hast. Wiederhole dann in Gedanken mehrmals die Sätze:

Mögest du gesund sein und es dir gut gehen.
Mögest du dich sicher und geborgen fühlen.
Mögest du in Frieden sein.
Mögest du dich selbst so annehmen, wie du bist.
Mögest du mit Leichtigkeit durchs Leben gehen.
Mögest du glück­lich sein.


Schritt 2: Metta für dich selbst 

Weiter geht es mit dir selbst. Sende Sätze der liebenden Güte an dich selbst, nämlich der Person, der man am nähesten ist. Dies ist die zweite Phase und nicht die einfachste. Wie oft sparen wir uns selbst aus und können uns selbst nicht mit Akzeptanz und Freundlichkeit begegnen. Also eine tolle Gelegenheit Selbstannahme zu üben, auch wenn es sich vielleicht am Anfang merkwürdig und unan­ge­nehm anfüh­lt. Nun wiederhole im Inneren die charakteristische Sätze der Metta Meditation:

Möge ich gesund sein und es mir gut gehen.
Möge ich sicher und geborgen sein.
Möge ich in Frieden sein.
Möge ich mich selbst so annehmen, wie ich bin.
Möge ich mit Leichtigkeit durchs Leben gehen.
Möge ich glück­lich sein.


Schritt 3: Metta für mehrere nahestehenden Personen

Beim nächsten Schritt werden die Sätze an Personen adressiert, die einem nahestehen. Dies können Partner, Familie und Freunde sein. Begegne Ihnen mit wohlwollenden und liebenden Gedanken. Mögen auch sie Glück und Liebe erfahren:

Mögest du gesund sein und es dir gut gehen.
Mögest du dich sicher und geborgen fühlen.
Mögest du in Frieden sein.
Mögest du dich selbst so annehmen, wie du bist.
Mögest du mit Leichtigkeit durchs Leben gehen.
Mögest du glück­lich sein.


Schritt 4: Metta für eine neutrale Person
In der nächsten Phase werden die Sätze an eine Person adressiert, zu der du eher eine neutrale Beziehung hast. Also eine Person, zu der du weder Zu- noch Abnei­gung emp­fin­dest. Dies kann zB jemand von deinem Haus sein, die Verkäuferin in deinem Bioladen oder jemanden von der Arbeit, wo du eher entfernt eine Beziehung hast. Dann wiederhole auch hier innerlich die Sätze, während du an diese Person denkst:

Mögest du gesund sein und es dir gut gehen.
Mögest du dich sicher und geborgen fühlen.
Mögest du in Frieden sein.
Mögest du dich selbst so annehmen, wie du bist.
Mögest du mit Leichtigkeit durchs Leben gehen.
Mögest du glück­lich sein.


Schritt 5: Metta für eine schwierige Person 
Beim nächsten Schritt wird es anspruchsvoller. Denn liebevolle und wohlwollende Sätze an Menschen zu richten, mit denen man Schwierigkeiten hat, ist gar nicht so einfach. Versuche es. Hilfreich ist, wenn du dir zuerst einmal vorstellst, dass diese Person genauso Leid kennt wie du selbst und genauso auf der Suche nach Annahme und Liebe ist. Vielleicht kannst du diesen Menschen in seiner Tiefe sehen, mit seinen Ängsten und Sehnsüchten und nicht nur das, was die Beziehung unangenehm macht. Wiederhole auch hier gedanklich mit Wohlwollen die Sätze, während du an diese Person denkst:

Mögest du gesund sein und es dir gut gehen.
Mögest du dich sicher und geborgen fühlen.
Mögest du in Frieden sein.
Mögest du dich selbst so annehmen, wie du bist.
Mögest du mit Leichtigkeit durchs Leben gehen.
Mögest du glück­lich sein.





Schritt 6: Metta für alle Wesen 

Am Ende kannst Du die Meditation noch weiter ausdehnen. Auf alle Personen, die dir in den Sinn kommen. Du kannst alle Lebewesen, also auch Tiere und Pflanzen mit einbeziehen. Dehne auf die ganze Welt aus und beziehe das gesamte Universum mit ein. Du kannst die Sätze auch abwandeln, sodass sie für dich stimmiger sind und persönlich besser passen.


Zum Abschluss kannst du noch das im Yoga essentielle und bekannte Segens-Mantra, welches zugleich mein Lieblings-Mantra ist rezitieren:

LOKAH SAMASTAH SUKHINO BHAVANTU

Mögen alle Lebewesen glücklich sein

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