Seit Jahren, eigentlich seit Jahrzehnten, bin ich am Erforschen, wie ich meinen eigenen, manchmal fragilen Körper zu schmerzfreien Bewegungen verhelfe. Ich konnte hier in Indien mit einer Expertin für „Somatic Explorations“ intensiv arbeiten und erkenne, wie wunderbar ganz spezifische Übungen mit den Yogastellungen korrespondieren. Es gibt mir ein besseres Verständnis, wie weise und wundervoll das gesamte Körpersystem eigentlich organisiert ist.
Eine eher ungünstige Disposition bezüglich der Gelenke und auch Muskulatur hatte mir schon in der Kindheit oftmals zu schaffen gemacht. Wie kann ich also meinen Körper und mein ganzes „mich“, das was mich ausmacht, mit all seinen „Unebenheiten“ annehmen und akzeptieren? Und nicht nur das, es geht noch weiter. Es war nie mein Ziel, mich einfach annehmen und akzeptieren zu können, sondern es stellte sich immer wieder die Frage, wie kann ich mich entfalten und weiterentwickeln, auch dann wenn es eng wird, wenn es schmerzt, sei dies nun im körperlichen, emotionalen oder seelischen Bereich. Irgendwie gehören diese Ebenen ja immer zusammen.
Seit fast 30 Jahren experimentiere ich mit Yoga. Viele wunderbare Yoga Traditionen und Yogastile sind mir begegnet. Es gab Zeiten, gerade wenn ich wie jetzt in Indien verweile, wo ich 4-5 Stunden am Tag Asana praktizierte. Ob dies empfehlenswert oder zuträglich für den Körper ist, sei mal dahingestellt. Auf jeden Fall ist es möglich, wenn man sich über lange Zeit mit etwas beschäftigt, in die Tiefe zu gehen. Das kennen wir von allen Dingen, für die wir uns mit Enthusiasmus und Hingabe engagieren.
Wie schön wäre es und eigentlich ist dies ja auch erstrebenswert im Yoga, ein Gefühl von Freiheit in den Schultern, den Hüften und auch in der Wirbelsäule zu haben, nötige Kraft und Durchlässigkeit im ganzen Körper zu spüren und auch noch die Ausdauer zu haben, die Yogastellung zu halten. Doch viele meiner Teilnehmer(innen) und auch Yogalehrerinnen die ich kenne haben Probleme und Schmerzen mit dem Körper.
Seit längerem schon beschäftige ich mich mit den „Diagonalbahnen“ im Körper, auch hat es mir die Stimulierung und die Kräftigung der Tiefenmuskulatur angetan. Diese Detailarbeit mit dem Körper hilft mir sehr, ein kraftvolleres Asana sicher "anzusteuern" und mit Wohlbefinden in der Position zu sein. Die bewussten und zu Beginn auch langsamen Bewegungen geben ein Gefühl für gewohnte Haltemuster und helfen, diese durch achtsame Bewegungen abzubauen. Mobilität, Balance und Koordination gewinnen an Raum und auf tieferer Ebene beziehen wir die Gefühle sowie die gesamte seelische Dimension mit ein.
Immer weniger wird es für mich wichtig, ein schwieriges Asana meistern zu können. Es beglückt mich, wenn ich Freiheit und Leichtigkeit spüre, ganz egal ob dies in einer nur ganz einfachen Übung ist.
Unser sensomotorisches System reagiert im Laufe unseres Lebens kontinuierlich auf tägliche Belastungen und auf Situationen von Stress mit spezifischen Muskelreflexen. Wenn sich diese Reflexe wiederholen, erzeugen sie gewohnheitsmässige Muskelkontraktionen. Diese Muskelkontraktionen sind oft tief und unbewusst geworden, so dass es gar nicht mehr wirklich möglich ist, die einzelnen Muskelketten zu entspannen. Ich kenne dies zB von der Nacken- und Schulterregion. Viele meiner Yoga-Teilnehmer haben dieses Phänomen eher im unteren Rücken. Das Ergebnis sind oft Steifheit, Schmerzen und eine eingeschränkte Bewegungsfreiheit.
Eine Übung, die nun beispielsweise unterschiedliche Drehrichtungen im Körper einbezieht (zB Knie nach rechts, Brustwirbelsäule nach links, Kopf nach rechts, Augenbewegung nach links - im Flow wechseln) kann erstaunliches bewirken. Wichtig ist, die Aufmerksamkeit auf die innere Empfindungen der Bewegung zu lenken. Es geht also nicht um die Quantität, sondern um die Qualität der Durchführung.
Eine weitere Möglichkeit sind die Stimulierung der diagonalen Bahnen im Körper (zB linke Beckenseite, rechtes Schulterblatt, rechte Beckenseite, linkes Schulterblatt - linkes Bein rechter Arm, rechtes Bein, linker Arm und Einbezug der Augenbewegungen). Entweder stärke oder dehne ich diagonal, verstärke das Gewicht oder gebe subtilen Impuls, indem ich einfach nur die Aufmerksamkeit dorthin lenke. Die Stellung wird zu einer somatischen Übung, sie kann die Muskulatur ändern, durch Einbezug und Änderung des Zentralen Nervensystems über die Stimulation der Hirntätigkeit und der damit verbundenen Aktivierung der unterschiedlichen Hirnhemisphären.
Dieses Konzept intensiver zu erforschen und zu entdecken ist sehr spannend. Damit du eine Idee bekommst, versuche diese einfache Übung:
Setze dich auf den Boden oder auf einen Stuhl. Bewege deinen Kopf nach oben, der Blick geht mit, schaue zum dritten Auge. Lasse nun den Kopf nach oben gerichtet und schaue mit den Augen zur Nasenspitze. Dann bewege den Kopf nach unten, das Kinn Richtung Brust, Nacken wird dabei lang und der Blick geht zeitgleich nach oben zum dritten Auge. Dann bewege den Kopf wieder Richtung nach oben, zeitgleich geht der Blick wieder zur Nasenspitze und dann das Ganze wieder zurück, mache dies einige Male.
Sogar diese einfache Übung erfordert Koordination. Zu Beginn ist es anspruchsvoll, doch mit der Zeit lernt das Gehirn und es fühlt sich an, als würde eine Umorganisation im System passieren. Nötige Pausen und Entspannungsmomente sind notwendig, um die Veränderung auf tieferer Ebene zuzulassen. Ich erinnere mich, wie lange ich brauchte den Kopfstand zu lernen. Wochenlanges tägliches Üben von Sirshasana - in Kovalam am Strand. Als ich dann enttäuscht aufgab und es dann nach 14 Tagen mit beherztem Mut erneut versuchte…
Voilà… dann konnte ich ihn plötzlich.